11/21/2014

Wickeln in Frieden

Das Wechseln von Windeln ist eine den Alltag mit einem Säugling und Kleinkind strukturierende Konstante. Je nach Alter und individuellem Stoffwechsel variiert die Häufigkeit, wieviele Male das Kind eine frische Windel benötigt. (Ja, es gibt windelfreie Babys und ich bin davon fasziniert, doch die meisten Kinder werden nach wie vor gewickelt).
In den letzten Wochen habe ich mehrere Gespräche mit Eltern zum Thema Wickeln geführt. Allen gemein ist der Wunsch, mit ihrem Kind eine angenehme Zeit am Wickeltisch zu verbringen. Doch aus unterschiedlichen Gründen - zunehmende kindliche Mobilität, negative Reaktion auf das Kleiderwechseln, totale Verweigerung des Wickeltisches - wird dieser Wunsche bei meinen Gesprächspartnern gerade nicht Wirklichkeit.
Da ich mir vorstellen kann, dass es nicht nur meinen Freunden so geht, versuche ich heute einige Hinweise zu geben, wie das Wickeln entschärft werden kann und wieder Freude bereitet.

1. Der Wickelplatz
Damit das Wickeln für Erwachsenen und Kind angenehm verlaufen kann, muss der Wickelplatz vorbereitet sein. Alles was benötigt wird, muss sich in Reichweite des Erwachsenen befinden. Auf diese Weise verhindert der Erwachsen Situationen der Unruhe, durch das Fehlen wichtiger Utensilien und auch das Kind alleine lassen zu müssen.
In Deutschland gängig sind - leider - Wickeltische die davon ausgehen, dass Kinder beim Wickeln ruhig auf ihrem Rücken liegen bleiben . Spätestens wenn die Kinder anfangen sich zu bewegen und zu drehen stellen diese Wickeltische eine Gefahr dar, denn sie bieten keinerlei Schutz für das Kind und die Erwachsenen sind gezwungen, es aus Sicherheitsgründen auf dem Rücken festzuhalten. So wird das Wickeln zwangsläufig zum Gewaltakt, der sowohl für den Erwachsenen als auch für das Kind unerfreulich ist. Viele Eltern ziehen dann mit ihrem Kind zum Wickeln auf Bett oder Boden, und eliminieren auf diesem Weg die Gefahr .
Allerdings gestehen die wenigsten Erwachsenen dem Kind zu, sich beim Wickeln zu bewegen und fordern weiterhin die passive Rückenlage des Kindes ein.
Ein wirkliche Alternative dazu ist das Wickeln auf einem Wickeltisch, der dem Kind die Möglichkeit bietet sich zu bewegen und dabei sicher zu sein. Emmi Pikler und ihre Mitarbeiterinnen haben einen solchen Wickeltisch entwickelt. Er ist breit genug für Bewegung und bietet genug Sicherheit, durch die dreiseitige Begrenzung.
Durch die Stäbe kann das Kind hindurchschauen, es kann sich an ihnen hochziehen und im Stehen gewickelt werden. Der Erwachsene muss sich nicht bücken oder unbequem auf den Knien herumrutschen und kann sich auf das Kind und seine Freude am Bewegen und Experimentieren einlassen, da ihm der Wickeltisch in seiner Sicherheitsfunktion unterstützt.

2. Im Kontakt sein
Ein typischer Rat unter Eltern, wenn es ums Wickeln geht: "Häng halt ein Mobile über den Wickeltisch, dann ist das Kind abgelenkt und du kannst es in Ruhe wickeln".
Diese Aussage zeugt davon, dass Wickeln als etwas Lästiges verstanden wird, bei dem etwas mit dem Kind gemacht wird ohne es einzubeziehen.
Dieser Vorstellung möchte ich auf ganzer Linie widersprechen! Versetzen wir uns einmal in die Lage des Kindes auf dem Wickeltisch, die Windel ist voll und wir fühlen uns dadurch unwohl.
Über uns sehen wir das Gesicht einer vertrauten Person, sie fasst uns an, zieht die Kleidung aus, die Windel auch, wäscht und reinigt uns, kleidet uns an.

Greift sie meinen Blick auf?

Erklärt sie mir, was sie mit meinem Körper tut?

Sind ihre Handgriffe liebevoll? 

Darf ich mithelfen?

Darf ich es genießen, nackt zu sein?

Darf ich meine Bewegungen erproben?

Können wir diese Fragen mit JA beantworten, so entsteht während des Wickelns Kontakt zwischen dem Kind und dem Erwachsenen. Das Kind erlebt sich als angenommen, sich und seinen Körper als achtenswert und genießt die Berührungen liebevoller Hände . Es hilft nach seinen Möglichkeiten gerne mit, wenn es erlebt, das dies erwünscht ist. 
Ja,  es wird auch spielen und die Windel wegnehmen und versuchen, das Wickeln in die Länge zu ziehen. Doch es tut das nicht, um den Erwachsenen zu ärgern sondern weil es genießt, was gerade geschieht. Ruhe ist gefragt, Geduld und echte Aufmerksamkeit, dann kann das Kind sein mitunter schelmisches Spiel beenden und hilft mit bei der Pflege seines Körpers und damit auch bei der Pflege seiner Seele.

Hängt da nun ein Mobile und zieht die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich, kann der Erwachsene vielleicht schneller und reibungsloser Windeln wechseln. Doch er überspringt auch eine Möglichkeit, mit dem Kind in Kontakt zu kommen und es als aktives Wesen anzunehmen und ihm dies zu vermitteln. 

Wer sich unsicher ist, ob er die Signale seines Babys richtig deutet, kann sich auf diesem tollen YouTube-Kanal weiterbilden: Die Signale des Babys.

Wickeln kann und soll allen Beteiligten Freude bereiten, die Kinder sind bereit dazu. Nur wir Erwachsenen müssen es schaffen, dies auch zuzulassen. Es lohnt sich!




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