8/13/2015

Ich lass mir Zeit - frei nach Emmi Pikler

Im Juni habe ich das letzte Mal gepostet. Und hatte mir fest vorgenommen, meinen Blog mit Artikeln zu füllen. Doch dazu ist es nicht gekommen. Und ausnahmsweise mal nicht, weil ich KEINE Zeit gehabt hätte. Nee, trotz Umzugsplanung, Kleinkinderziehung, Prä-Pubertanden-Aufzucht, Vorstandsarbeit und all dem anderen mit dem ich so beschäftigt bin, hatte ich dank Mutterschutz ZEIT. Und ich habe sie genutzt. Zum erleben, nachdenken, mich mit mir beschäftigen - ich hab sie gerne einfach so verstreichen lassen und hab es genossen. Einfach auszusteigen aus diesem ganzen Gehetze. Ich hab einfach mal ne Woche keine Nachrichten geschaut und festgestellt, dass es mir dann besser geht. Eigentlich ja nicht wenig erstaunlich, wenn man sich diese ganzen furchtbaren Dinge anschaut, die überall auf der Welt passieren. Ich komme gar nicht mehr hinterher, zu verarbeiten was es heißt: 25 Menschen bei Anschlag hier getötet, dort ertrinken Menschen im Meer, da schreien Andere menschenverachtende Dummheiten vor laufenden Kameras....ehrlich gesagt, das macht mich am fassungslosesten. Das Menschen in unserem Land in eine Kamera sagen, das sie keine Angst davor haben, das andere Menschen Steine auf Menschen werfen, sie würden ja nicht auf Deutsche geworfen. Ich mache mir viele Gedanken darüber, in was für einer Welt und in was für einem Land meine Kinder aufwachsen müssen. Mitlerweile habe ich DREI Kinder. Mein Vater sagt, früher, also als ich klein war, war die Welt auch schon so abgefuckt. Sorry, aber ein besseres Wort fällt mir dazu nicht ein. Zurück zum Thema. Ich lasse mir also Zeit, so wie Emmi Pikler es als Überschrift für ihr Buch zur Bewegungsentwicklung gewählt hat, weil ich einfach mit dem begreifen und verarbeiten nicht mehr hinterher komme. Dankbar bin ich für meine Entscheidung, immer noch KEIN Smartphone zu besitzen,  denn ich erlebe eine von diesen Dingern absorbierte Umwelt, die zwar ständig irgendwelche Sachen schreibt, deren Gehalt und Inhalt aber meistens bei genauem Hinsehen nicht wert sind, mit anderen geteilt zu werden. Wo andere posten, was ihre Kinder gerade für schöne Sprüche bringen usw. behalte ich diese Erlebnisse ganz egoistisch für mich oder erzähle sie bei Gelegenheit dem Liebsten. Ha. Und dann gehen sie verloren....weil wir sie nicht konservieren. Und ich kann das gut aushalten.
Außerdem lasse ich mir gerade Zeit meine jüngste Tochter kennenzulernen. Das ist gar nicht so einfach, wenn es da noch ein Kleinkind gibt, das viel und gerne Mama will....und Zeit braucht. Mit der Kleinen Dame hatte ich viel Zeit, war sehr gelassen und sehr piklerisch. Nun liege ich manchmal abends im Bett und frage mich, ob das Küken genug von dieser Gelassenheit und Ruhe bekommt. Und frage mich, wie ich zu derselben kommen bzw. sie erhalten soll, wenn von morgens bis abends immer einer was von mir will  - und wenn es die Waschmaschine ist, die mich piepsender Weise daran erinnert, dass sie entleert und ihr Inhalt auf die Leine gehängt werden muss. Das Küken ist verfressen, soviel steht fest. Wir verbringen viel Zeit mit Stillen. Auch wegen der miesen Brustentzündung die uneingeladen gekommen ist und nun nicht mehr gehen will. Sie, als das Tocherkind, ist schon drei Wochen, fast vier alt. Kaum zu glauben. So sehr ich sie herbeigesehnt habe, so bin ich doch immer wieder erstaunt darüber, dass sie es nun  da ist  und aufeinmal diese geheimen Türen und Fenster an Zeit und Energie in meinem Tag sich auftun. 
Ich lasse mir also Zeit, nicht mit einer neuen Bewegung, sondern ich lebe das Leben einfach in meinem Tempo und wo ich kann, verweigere ich der Hektik vor der Haustür den Zutritt. Das fühlt sich verdammt gut an.