12/12/2016

Gastbeitrag: Ankommen mit Hindernissen. Ein Eingewöhnungsbericht.

Liebe Leserinnen,

mein näheres Umfeld weiß es schon, ich bin ein Fan von twitter geworden. Aus Neugier habe mich angemeldet, weil ich manchmal tatsächlich das Gefühl hatte, manche Themen und Diskussionen nicht mitzubekommen. Und zu Facebook wollte ich nicht. So bin ich also bei twitter gelandet und vernetze mich immer mehr. So auch mit Lela @nahtkäfer. Sie schreibt das tolle Blog nahtkaefer.de über Selbstständigkeit mit Familie und ihren Weg mit zwei Kindern im Familienbett und anderswo. Ich freue mich sehr, dass Sie bei mir von der Eingewöhnung der etwas anderen Art mit einem hochsensiblen Kind erzählt.

Lustigerweise ist heute ein Text von mir veröffentlicht worden, der schon länger, erst bei mir und dann bei der lieben Allerlei Petra @HamacherPetra in der Röhre schmorte: Patchworkfamilie, klappt das?
Daran könnt ihr sehen: Ich netzwerke mich so durch das Internet, auch wenn hier nicht so viel passiert...aber bald sind ja FERIEN!
 
Ankommen mit Hindernissen.

Ein Eingewöhnungsbericht.


Unser Sohn ist hochsensibel.

Wir wussten dies lange nicht, oder nahmen ihn nicht auf diese Art und Weise wahr.
Als wir anfingen für ihn einen Betreuungsplatz zu suchen, wussten oder ahnten wir aber, dass er sensibler ist, als die meisten anderen Kinder.
Er war bereits 3,5 Jahre alt und alleine sein Alter und sein Geschlecht, machten es für uns schon schwer einen Betreuungsplatz zu finden. Zudem hatten wir die Anmeldefristen verpasst und suchten mitten im laufenden Kindergartenjahr nach einem Platz.
Woher junge Eltern wissen sollen, dass die Kindergärten und KiTas etc. die gleichen Aufnahmezeiten haben, wie Schulen, weiß ich nicht. Wie machen das Eltern, die ihr Kind nach einem Jahr in Betreuung geben müssen und dieses Kind außerhalb des Sommers zur Welt kam?

Wir hatten Glück. Mehrmals.

Als erstes fanden wir eine Elterninitiative im näheren Umfeld, die wunderbar zu uns gepasst hätte.
Nur wie das mit Elterninitiativen häufig ist, fehlte es ihnen an finanziellen Mitteln und deswegen entschieden sie sich für eine Familie, für die das Jugendamt mehr Stunden bezahlte.

Dann erfuhr ich durch eine Freundin von einer KiTa für die Studenten der Uni, an die auch mein Freund geht. Die pädagogischen Fachkräfte dort sind studierte Erzieherinnen und auch Studierende. Das Konzept wirkte interessant, es wurde frisch gekocht, die Erzieherinnen mit denen wir sprachen, waren nett.
Der Sohn hatte direkt ein Autohaus entdeckt und war in sein Spiel vertieft.
Wir hatten ein gutes Gefühl bei dieser Einrichtung und unterschrieben den Vertrag, zahlten das Essens- und Betreuungsgeld.
Wir begannen mit der Eingewöhnung. Um genau zu sein fing mein Freund mit der Eingewöhnung an, denn ich blieb mit der knapp 1,5 Jährigen zuhause. Sie stillte noch häufig und die KiTa war direkt an der Uni, da schien uns dieser Schritt logisch.
Die ersten Tage liefen gut für unseren Sohn. Mein Freund konnte zwischendurch problemlos ein paar Häuser weiter in die Uni gehen. Einmal machte unser Sohn sogar in der Kita Mittagsschlaf.
Doch von einem auf den anderen Tag ging dann gar nichts mehr.
Bereits beim Aufstehen, fing er an zu sagen, dass er nicht in die Kita will. Er finde „die“ alle doof.

Wir warfen jede Trennung über den Haufen und fingen von vorne mit der Eingewöhnung an. Mit einer Erzieherin hatten wir das auch abgesprochen. Dieses mal begleitete ich unseren Sohn.


Ich verlies also an einem Montag mit einem nölenden Kind, dass nicht dort hin wollte, die Wohnung. Mein Freund blieb mit einem weiteren sehr frustrierten, weinenden Kind zuhause.
Doch im Gegensatz zur Tochter, wollte der Sohn so schnell nicht aufhören alles doof zu finden.
Wir kamen aber trotzdem fast pünktlich in der KiTa an und gingen direkt zu den anderen in den Garten heraus. Ich blieb dabei und auch beim Mittagessen blieb ich dann mit im Raum sitzen. Als die anderen Kinder zum Mittagsschlaf bereit gemacht wurden, zogen wir uns an und gingen. Es fühlte sich okay an.
Der nächste Tag – mit anderen Erziehern – war auch okay. Ich konnte kurz auf Klo gehen. Konnte mich beim Mittagessen in den Flur setzen. Und stricken. Mir war kalt, aber ich war jeder Zeit für unseren Sohn erreichbar. Ich stellte fest, dass es ein Mädchen in der Gruppe gab, mit dem er auf Teufel komm raus stänkerte. Und sie mit ihm. Das ging so weit, dass die Erzieher versuchten sie die gesamte Zeit mindestens 2 Meter von einander getrennt zu halten.
Am nächsten Tag – wieder neue Erzieher. Wieder erklären, dass ich da bleibe. Dass wir noch keine Trennung machen.
Am Donnerstag waren wir an einem Punkt, an dem ich auch mal länger „auf Klo“ gehen konnte.
Am Freitag stieß ich auf eine Erzieherin, die nicht wollte, dass ich beim Mittagessen da bin. „Entweder ihr geht jetzt, oder Sie trennen sich“
Also gingen wir.
Was unser Sohn doof fand, das Essen roch sehr lecker und er hatte sich schon darauf gefreut.
Am Montag wieder das Erzieherinnen-Duo, mit dem unser Sohn und wir irgendwie am Besten harmonierten. Wir durften zum Mittagessen bleiben. Wir versuchten aber, dass ich mich in einen anderen Raum zurück ziehen sollte. Was auch mit winken an der Fensterscheibe und zeigen, dass ich in dem Raum dort bin überhaupt nicht ging. Unser Sohn weinte. Bitterlichst. Der Erzieher versuchte ihn zu trösten – und brach dann ab. Ich durfte mich in den Flur setzen und mein Sohn setzte sich neben mich, aß ein Brot und als er sich beruhigt hatte, zogen wir uns an und gingen.

Das sollte unser letzte Tag in dieser Kita gewesen sein.

Denn dann geschah ein kleines Weihnachtswunder.

Eine enge Freundin von mir, deren Tochter wie eine Schwester für unsere Kinder ist, ging bereits seit 2 Jahren zu einer tollen Tagesmutter. Als wir anfingen einen Platz zu suchen, hatte sie natürlich keinen frei und eigentlich sollten erst zum Sommer zwei Plätze frei werden.
Doch plötzlich erfuhr sie vom Jugendamt, dass ein Kind ab Januar nicht mehr zu ihr kommen würde. Sie war geschockt und erzählte es deswegen den Eltern der bleibenden Kinder. Und unsere Freundin war geistesgegenwärtig genug zu sagen: „Du, ich kenne da eine Familie, die suchen gerade für ihren 3,5 jährigen Sohn einen Platz. Er kennt M. schon und tut sich dort, wo er gerade ist sehr schwer..“
Wir telefonierten und trafen uns dann mit der Tagesmutter. Es stellte sich heraus, dass wir sehr gut harmonieren würden. Und ich musste nicht einmal erwähnen, dass unser Sohn sehr sensibel ist. Nachdem ich ihr von der missglückten Eingewöhnung erzählt hatte, sagte sie sofort, dass wir dann vorsichtig vorgehen müssen. Ihm Zeit geben. Keine Trennung erzwingen.
Nachdem die erste Trennung am 5. Tag nicht machbar war, weil er partout nicht wollte, dass ich auch nur kurz raus gehe, konnte ich einen Tag später problemlos für einige Stunden einen Kaffee trinken gehen. Wir machten trotzdem behutsam weiter und ich blieb noch einige Tage immer 1-2 Stunden da, ehe ich ging. Aber er fühlte sich wohl. Er mochte die Kinder. Er bekam Ruhe, wenn er diese brauchte. Sie unternahmen tolle Dinge, kneteten, malten, bastelten wann immer die Kinder dazu Lust hatten.
Sein erstes halbes Jahr lang, waren dort 5 Kinder im Alter von 3-6 Jahren. Und mit allen verstand er sich.
Mittlerweile weinte dann allerdings jeden morgen die Kleine eine halbe Stunde lang, dass sie mit in den Kinderladen wolle. Wenn wir ihren Bruder abholen gingen, war sie Feuer und Flamme und wollte dort am Liebsten nicht mehr weg.

Als dann die zwei großen Kinder in die Schule kamen, durfte sie dann auch endlich mit in den Kinderladen.
Die Eingewöhnung dauerte keine zwei Tage. Denn eigentlich brauchten wir sie an Nichts gewöhnen. Sie kannte die Tagesmutter, die Räume, die Kinder.

Momentan muss in den Räumen saniert werden. Wir haben das Glück, dass die Kinder nicht getrennt irgendwo in der Fremde untergebracht werden oder zuhause bleiben müssen.
Jeden Mittwoch waren sie immer bei einer anderen Tagesmutter um dort zusammen das Angebot eines Musikpädagogen in Anspruch zu nehmen. Bei dieser Tagesmutter haben sie nun Unterschlupf gefunden und können dort sein, bis die eigenen Räume fertig sind.

Die ersten Tage hat unser Sohn (jetzt 4,5 Jahre) keinen Mittagsschlaf gemacht und es wurde zunehmend anstrengender für uns, da er zuhause nicht abschalten konnte und aufdrehte, wütend wurde, herumschrie und Dinge warf.
Nach 3-4 Tagen hatte er sich endlich an die neuen Räume und die Kinder einigermaßen gewöhnt und er schlief auch wieder Mittags. Es wurde wieder entspannter zuhause.
Seit zwei Tagen jedoch, geht gar nichts mehr.
Die ständige Lautstärke von nun 11 Kindern, der Trubel und die vielen Eindrücke machen sich bemerkbar.
Allen anderen Kindern merkt man diese Unruhe auch an, allerdings nicht in dem Umfang, der sich bei unserem hochsensiblen Kind zeigt.
Für ihn ist das so belastend, dass er sogar schon im Kinderladen „randaliert“ und nicht erst, wenn er zuhause ankommt. Absprachen verhallen im Luftleeren Raum und alle Regeln für unser halbwegs harmonisches Zusammenleben sind wie vergessen. Abends liegt er lange wach und kann nicht einschlafen.
Und er weint. Viel und laut.
Am liebsten möchten wir mit weinen.
Ab nächster Woche werden wir einen Mama-Tag pro Woche einlegen und hoffen, dass er in dieser Zeit Ruhe tanken kann. Genug Ruhe um die restlichen 4 Tage im Kinderladen und die 2 Tage mit seiner wilden Schwester auszuhalten.

Und ich bin so froh, dass wir eine Tagesmutter haben, die so achtsam mit unseren Kindern umgeht und wir besonders unser hochsensibles Kind so gut unterstützt betreuen lassen können.



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