Auch dieser Text stammt nicht aus meiner Feder. Herr Sondergeld, ein Schüler bzw. Studierender aus der Fachschulklasse, die ich unterrichten darf, hat einen Essay über den Zusammenhang zwischen Bindung und Gesundheit bei Krippenkindern geschrieben. Er hat zugestimmt, seinen Text hier zu veröffentlicht.
Ohne Bindung keine Gesundheit
Die Qualität der Bindung zwischen
Eltern und Kind ist von zentraler Bedeutung für das Leben eines Menschen. Wird
das Kind in den ersten drei Lebensjahren geliebt und umsorgt, so hat das Kind
es später leichter im Leben. Besonders in Bereich der Bildung ist Bindung ein
wichtiger Faktor für die spätere Schul- und Lernzeit. Jetzt haben Forscher
herausgefunden, dass die Bindung auch ein Grundstein für die spätere Gesundheit
ist.
Die Forscherin Jennifer Puig von der
University of Minnesota hat sich die Daten von 200 Kindern angeschaut, deren
Bindung im Alter von 12 - 18 Monaten bewertet worden war. Nach ca. 30 Jahren
hat sie Kontakt mit den Probanden aufgenommen. Bei den Kindern, die damals als „unsicher
gebunden“ eingestuft wurden, war die Wahrscheinlichkeit an einer Krankheit zu
leiden etwa sechs Mal höher gegenüber den Kindern mit sicherer Bindung. Zu den
Krankheiten zählten etwa Diabetes, Herzerkrankungen oder Infarkte. Als ein möglicher
Grund dafür ist die höhere Stressbelastung, die unsicher gebundene Kinder
haben. Der Stress kann über das Stresshormon Cortisol im Speichel gemessen
werden. Die Werte des Stress-hormons Cortisol sind bei Kindern in qualitativ
schlechten Krippen höher und in qualitativ hochwertigen Krippen (kleine
Gruppen, guter Betreuungsschlüssel, gut ausgebildetes und feinfühliges
Personal) sinken diese Werte bei den Kindern schneller (Wiener Krippenstudie
WiKi). Die Gesundheitsausgaben betrugen in der BRD im Jahr 2015 rund 344,2
Milliarden €, Tendenz steigend. Würde man 1 % der Gesundheitsausgaben in die
Krippenbetreuung investieren, um z. B. den Betreuungsschlüssel zu reduzieren, würde
der Staat nachhaltig Geld bei den Gesundheitsausgaben sparen. Denn z. B. die
Eingewöhnung eines Kindes bedeutet Stress für das Kind. Vor dem Hintergrund
solcher Überlegungen ist der Betreuungsschlüssel wichtig für eine gelungene
Eingewöhnung und Akzeptanz der Erzieherin als neue Bindungsperson und
Trostspenderin. Denn erst durch eine zuverlässige Bindung zur Erzieherin ist es
dem Kind möglich, die Welt und vor allem die neue Umgebung „Krippe“ zu
erforschen und Erfahrungen zu sammeln. Auch wachsen auf dieser Grundlage
erfolgreiche Lernpartnerschaften. Stärkeren Einfluss als die Fremdbetreuung
(NICHD-Studie), egal in welcher Qualität, nehmen die Familienfaktoren, wie etwa
die Bindung zu den Eltern und die Qualität der Erziehung sowie das
Familieneinkommen. Auch einen weiteren volkswirtschaftlichen Nutzen hat der
Krippenbesuch: So steigt die Wahrscheinlichkeit ein Gymnasium zu besuchen auf über
50 %, ohne Krippenbesuch liegt sie bei etwa 36 % laut Bertelsmannstiftung.
Besonders Kleinstkinder aus benachteiligten Milieus profitieren besonders von
einem Krippenbesuch.
Die Krippenarbeit braucht dringend
mehr Anerkennung. Heute ist sie immer noch ein Anhängsel in der Kindertagesstätte.
Da wissenschaftlich belegt ist, dass die ersten drei Jahre entscheidend sind für
einen Menschen, muss dies endlich ernst genommen werden. Ein wichtiger Ansatz
ist der Betreuungsschlüssel, wovon auch die Qualität der Bindung in der Krippe
abhängt. In Hessen sind wir aktuell bei 1:5, d. h. eine Fachkraft auf 5 U3
Kinder. Fachleute fordern einen Betreuungsschlüssel von 1:3. Baden-Württemberg
ist mit einem Schlüssel von 1:2,9 führend. Das Bildungsland Hessen hat hier
dringend Nachholbedarf. Wie steht es eigentlich um die Qualifikation des
Fachpersonals? Ein weiterer wichtiger Faktor für Betreuungsqualität.
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